James Licini

Stahlbau

*1937 – „Kein Schnörkel, kein Ornament, absolut nichts Überflüssiges. Nichts als das Notwendige. Nur sich selbst – ernst, sachlich, ehrlich: Der Stahlbauer Licini ist ein grosser Plastiker.“ (entn. Festschrift zum 70. Geburtstag von James Licini 17.4.2007, Matthias Frehner) 

Und: „Im Unterschied zu vielen seiner Kollegen hat Licini zwischen Leben und Kunst nie eine Grenze gezogen. Seine Kunst ist haargenau so, wie er lebt. Er war schon immer ein Rebell, während viele seiner Generations-genossen bloss rebellische Kunst machen, ansonst jedoch an ihrer Karriere feilten und nach einem Eigenheim strebten. Der junge James Licini arbeitete als Arbeiter; als Arbeiter stieg er am Wochenende in den Boxerring und als Arbeiter begann er „Kunst zu machen“, als er sich von den Werken des Schwergewichts Bernhard Luginbühl herausgefordert fühlt. Was, das soll Kunst sein? Das kann ich besser! (Zit. Ebenda)

Aufgewachsen in einem Umfeld ohne jegliche Berührung zur Kunst, erlernte James Licini das Schlosserhandwerk und übte jahrelang den knochenharten Job eines Stahlbauers auf lärmigen Baustellen aus. Er trennte und verschweisste tonnenschwere Stahlträger, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wie ein Bergbauer mit den Felswänden umgeht, die ihn einschliessen, so begegnet auch Licini der Realität des Materials ohne jede Sentimentalität. Er versteht sich nicht als Künstler - er ist „Stahlbauer“.

Als Mensch und Produzent von Stahlobjekten ist Licini ein Purist, wie der Wiener Architekt Adolf Loos, der 1908 in seiner Schrift Ornament und Verbrechen alles Dekorative und jeden schönen Schein kategorisch abgelehnt hatte. Nur das Rein-Funktionale ist gemäss dieser Denkart wahr. Kunst dagegen bringt Licini, in Anlehnung an Loos, mit Begriffen wie Schönheit, Klassik, Kanon und Ausschmückung in Verbindung. Wer vorgegebene Themen und Erwartungen aufgreift, ist a priori fremdbe-stimmt. Wer sich im „Kunstsystem“ bewegt, nimmt deshalb das Dilemma auf sich, dass Fremdes und Ureigenes aufeinanderprallen, sich durchdringen und – im besten Fall – zu etwas Neuem verbinden. Das Eigene verliert dabei seine Autonomie und wird infiziert. Darum will Licini „keine Kunst machen“, sondern mit der Methode „Stahlbau“ nichts anderes, als seine eigenen Konzepte realisieren, immer auf der Suche und im permanenten Bestreben nach der nicht weiter reduzierbaren Urform und in der Hoffnung, das „finale Ziel“ im nächsten Schritt erreichen zu können. Das spornt James Licini unaufhörlich zu Höchstleistungen an, für die er enorme Anstrengungen und Kraftakte auf sich nimmt. Doch immer wieder kommen Lösungen zustande, die ein nächstes Werk notwendig machen.

James Licini bereiste mehrmals Mexico und sah in den frühen Hoch-kulturen Lateinamerikas die für ihn engste Verbindung mit einem schöpferischen Gegenüber. Es ist das absolut Fremde, das von der europäischen Kultur Grundverschiedene, das nichts beschönigt, und es sind die geometrisch-unnahbaren Gottheiten, die ihn in den Bann ziehen. Die auf quadratischen Grundrissen konzipierten Urformen und die um diese seriell und sternförmig aufgebauten Vervielfachungen verbinden sich in seinen Installationen und werden zu offenen Labyrinthen, die Kraftfelder spürbar machen, die zwischen den Stahlbauten und den Zwischenräumen entstehen.

Licini gehört zur zweiten Generation der grossen Schweizer Pioniere der Eisenplastik nach dem „eisernen Aufbruch in die Abstraktion“ der 1950er Jahre. Dazu gehörten etwa Bernhard Luginbühl, Jean Tinguely oder Robert Müller. Nebst einer Anzahl von nationalen und internationalen Ausstellungen liess das Kunstmuseum Bern im Jahre 2013 dem Künstler eine grosse Ehre zukommen und organisierte die Ausstellung „Eisen und Stahl. Paolo Bellini, James Licini, Josef Maria Odermatt“. Sie widmete sich dem aktuellen Werk der Plastiker und konnte als „eiserne“ Antworten auf die Minimal Art, die Arte Povera und die Konzeptkunst gesehen werden. James Licini ist in diversen Sammlungen vertreten (Firmen, Privat, Öffentl. Institutionen).

Textausschnitte / Literaturnachweis 
1999         Werkverzeichnis 1968-1998
2007         Festschrift zum 70. Geburtstag
2013         Katalog „Stahlbauer“, Kunstmuseum Bern
Red. Susanna Hofmann - KUNSTRAUM EGG

 

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